Wohlfühlen statt wegsperren - Die Zukunft der Pferdehaltung
Pferde sind seit Jahrtausenden nah am Menschen – nur wenige Tierarten sind uns so vertraut. Wir betreiben Verhaltensforschung und gewinnen immer mehr Erkenntnisse darüber, wie sich das Pferd am wohlsten fühlt, und damit auch die Besitzer. Technisch ist vieles möglich, aber das hat seinen Preis. Alle wollen eine artgerechte Haltung – neudeutsch „Homing“ von Pferden – und Stallbetreiber stehen in dem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Tierschutzgesetzen. Der Spoga Horse Blog hat nachgefragt: Wo geht es hin mit der Haltung?
Foto: Schauer Active Horse Systems
So verschieden Rassen, Reitweisen und Nutzung von Pferden sind, sind auch die Haltungsformen – und dazu regional noch recht unterschiedlich. Während im Norden Deutschlands der klassische Turniersport stark ist und die Pferde nach dem dritten Lebensjahr deshalb nach wie vor meist aufgestallt werden und in Boxen leben, sind Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg Vorreiter in der Aktiv- und Offenstallhaltung. Von den rund 30 Aktiv- und Bewegungsställen, die zum Beispiel der Spezialist Schauer Active Horse Systems in Deutschland jährlich baut, sind die meisten im Süden und die meisten professionelle Betriebe. In Ballungsräumen herrscht dagegen (meist aus Platzmangel) noch immer die Boxenhaltung vor.
Grundsätzlich stehen Pferdehalter schon immer vor der Frage der Unterbringung: „Wie groß ist mein Budget? Riskiere ich Verletzungen durch Rangkämpfe und Spiele in der Herde, oder Verhaltensstörungen durch die Einzelhaltung in der Box? Bekommt mein rangniedriges Pferd in einer Herde genug zu fressen – oder wird es dick, weil es ranghoch ist?“ Der beliebteste Kompromiss zwischen Einzelbox und Herdenhaltung ist die pflegeleichte und verletzungsarme Paddock-Box mit kleinem Auslauf. Sie ist für Pensionsställe im Freizeitbereich zur Zeit die gefragteste Unterbringungsform. Denn: Ohne wenigstens ein bisschen Frischluft und Sozialkontakt für die Pferde geht fast nichts mehr im modernen Stall.
Offenstall: Pferdegerecht, aber kein Selbstläufer
Bei einigen Robust-Rassen wie Isländern, Haflingern oder Freibergern geht man den Weg, der am nächsten am natürlichen Sozialverhalten der Pferde dran ist: hier sind die geschlechtergetrennte Paddockherde und der Offenstall schon jetzt sehr häufig. Auf ganz Deutschland betrachtet sind es allerdings mit geschätzt weniger als 5% noch sehr wenige Pferde, die in Gruppen leben.
Einen großen Sprung vorwärts macht diese Haltungsform allerdings derzeit durch Fütterungsautomaten: Die individuell chip-gesteuerten Anlagen machen sogar die gemischte Herde leicht zu organisieren. Moderne Aktivställe mit automatischer Fütterung und computergesteuerter Koppelselektion schaffen so Zeit und Freiraum für die Stallbetreiber – der zum Beispiel dafür genutzt werden kann, die einzelnen Tiere und deren Bedürfnisse besser im Blick zu haben. Das hat unter anderem ganz konkrete wirtschaftliche Vorteile, denn eine gute Dienstleistung rechtfertigt höhere Pensionspreise, macht die Einsteller glücklicher und bindet sie langfristiger an den Stall.
Schöne Services wie das solarbetriebene Ausreit-Tor von Axel F Zaunbau sind da gern genommene Bonbons, die das Erlebnis Reitsport noch versüßen. Und handfeste Verbesserungen bieten sich bei Zäunen und Weiden: Der kunststoffummantelte Elektrozaun ersetzt mehr und mehr die klassischen Bänder, außerdem zeichnet sich ein baldiges Verbot von Teeröl-imprägnierten Pfosten ab. So stehen Umwelt- und Tierschutz gleichermaßen immer stärker im Fokus.
Boxenhaltung: Es werde Licht!
Dennoch, die Faustregel „je teurer das Pferd, desto weniger Auslauf,“ wie es Florian Steer, Abteilungsleiter bei Haas Fertigbau formuliert, gilt im Dressur- und Springpferdebereich nach wie vor. Der Klassiker für Rassepferde ist in Deutschland die Boxenhaltung, die aber heute zum Wohl des Tieres deutlich anders aussieht als noch vor zwanzig Jahren (so sind Tageslicht und Frischluft eigentlich der Mindeststandard). Helle, freundliche Einrichtung, gute Belüftung, Fenster und Sichtkontakt zu Artgenossen sollten auch in Boxenställen die Regel sein.
Insgesamt beobachten Stallbau-Unternehmen bei Neubauten einen klaren Trend zu mehr Sozialkontakt, Licht und Auslauf für Pferde. „Man kann einen Boxenstall genauso schlecht machen wie einen Laufstall,“ stellt Rüdiger Deckert fest, Geschäftsführer von Röwer & Rüb. „Klar ist: jede artgerechte Haltung braucht mehr Platz und eine bessere Ausstattung und das hat seinen Preis. Vor dieser Herausforderung stehen viele Stallbetreiber. Wir alle wollen letztlich, dass sowohl das Tierwohl berücksichtigt wird als auch möglichst viele Menschen diesen wunderbaren Sport betreiben können – diesen Spagat müssen wir schaffen“.
Der Stall als Dienstleister
Übergreifend – egal welche Haltungsform ein Pensionsstall bietet – gibt es in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung zu mehr Professionalität, Pferdewohl und Dienstleistungs-Bewusstsein. Moderne Stallbetreiber entwickeln mehr und mehr den Mut, eine unvoreingenommene Standortanalyse zu betreiben, ein dazu passendes Konzept zu entwickeln und durchzuziehen. Also: sind meine Einsteller-Zielgruppe Turnierreiter oder Freizeitreiter, betreibe ich eine Reitschule, biete ich professionellen Beritt, Koppelservice, Laufband, eine Führanlage oder andere Services an...
Carola Brandt, Verkaufsleiterin Pferd bei Schauer Active Horse Systems, beobachtet das vor allem, wenn Generationswechsel im Unternehmen erfolgen. „Häufig übernehmen die Kinder nach vierzig Jahren den Betrieb und entscheiden, den gesamten Komplex Haltung, Fütterung und Service für die Einsteller neu und professioneller anzupacken. Das bedeutet auch Stallbau, besseres Weidemanagement und Fütterungstechnik, zum Beispiel mit sechs bis acht Mahlzeiten pro Tag - das geht übrigens auch mit Boxenhaltung. Wenn man mit Pferden Geld verdienen will, muss man eine gute Leistung bringen und das Produkt auch vermarkten,“ sagt Carola Brandt. Weil aber Hobby und Beruf bei Stallbetreibern in der Regel stark überlappten, sei es mit der Professionalität und der Kommunikation mit den Kunden manchmal nicht weit her, weiß Brandt.
Die Einstellung von Pferdebesitzern hat sich grundsätzlich gewandelt und die Ansprüche sind hoch. Stallbetreiber werden zu Recht als die Dienstleister gesehen, die sie sind. Im Umkehrschluss sollte das nach Meinung von Branchenkennern aber auch einen angemessenen Pensionspreis mit sich bringen: „Wirtschaftlich zu arbeiten und eine moderne Pferdehaltung nach Tierschutzrichtlinien zu betreiben, kostet Geld, das muss kalkuliert und kommuniziert werden,“ resümiert Carola Brandt.