EQUI LIVING Sonderschau Lebensraum Pferd - Spagat zwischen Sport und pferdegerechter Haltung?
Der natürliche Lebensraum der Pferde liegt in der Natur. Pferde sind Flucht- und Herdentiere mit einem großen Bedürfnis an sozialen Kontakten mit Artgenossen und einem ausgeprägten Bewegungsdrang. Pferde brauchen viel freien Auslauf und Sicht- und Berührungskontakt zu anderen Pferden, um gesund, glücklich und leistungsfähig zu sein.
“Pferdegerechte Haltung” und “individuelle Versorgung” liegen im Trend.
Die natürlichen Bedürfnisse des Pferdes, wie das Leben unter Artgenossen und mit Spielkameraden, Bewegungsfreiheit und rassespezifische bzw. bedarfsgerechte Fütterung stehen dank einer grossen Bandbreite an Erkenntnissen aus Wissenschaft und Verhaltensforschung immer mehr im Vordergrund. Immer mehr Pferdebesitzer sind bestrebt, ihren Pferden ein möglichst pferdegerechtes Leben zu ermöglichen.
Foto: PferdeGut Tüshaus, Dorsten
Das führt zu neuen Konzepten und Produkten: Großzügige Boxen mit angeschlossenem Paddock und regelmässigem Weide- und Paddock Gang, Stallelemente für Gruppenhaltung, frostsichere Tränken für Outdoorhaltung im Winter, die unterschiedlichsten Bodenbeläge bis hin zum Pferdebett, sowie zeitgesteuerten, automatisierten Futterstationen und Weidetoren. Wer allerdings glaubt, Gruppenhaltung sei einfacher oder gar weniger kostenintensiv als Boxenhaltung, der ist auf dem Holzweg. Im Bewegungs- oder Aktivstall ist viel Pferde Fachwissen nötig. Die Anforderungen an erfolgreiche Haltungs-Konzepte abseits der Box sind komplex und zeitintensiv. Was gibt es, was ist realistisch, was kostet es und für wen ist es geeignet? All diese Fragen müssen individuell beantwortet werden und gestalten sich für jeden Pferdebesitzer und sein Pferd anders. Den Mythos, dass Sportpferde nur in Boxenhaltung unverletzt und leistungsfähig bleiben, widerlegen auch immer mehr im Spitzensport erfolgreiche Reiterinnen, deren Pferde sich das ganze Jahr über fröhlich in der Herde tummeln.
Fotos: Uta Gräf
Pferde Pferde sein lassen
“Wir wollen unsere Pferde naturnah und pferdegerecht halten. Zwar können wir den Pferden keine vollständige Freiheit wie in der Natur bieten, aber es kommt dem Ideal schon ziemlich nahe: Mehrere Hektar große Wiesen umrahmen das alte Klostergemäuer und die alte Scheune, die früher als Lager diente und an den langen Seiten offen ist. Wir haben unsere Haltungsbedingungen so gestaltet, dass die Pferde – weitestgehend in einer großen Herde gehalten – maximale Selbstständigkeit durch natürliche Haltung und ausreichend Sozialkontakt haben. Durch unsere Haltungsform werden sie dazu ermuntert – über Stock und Stein oder auf gefrorenem Boden – ihre Trittsicherheit und Balance zu schulen und selbst dafür zu sorgen, Verletzungen und Schmerzen zu vermeiden. Wir wollen dies unseren Pferden bewusst nicht abnehmen und sie überbehüten, auch wenn sie wertvoll sind. Uns ist es sehr wichtig, unsere Pferde „Pferd sein“ zu lassen. Wir haben schnell gemerkt, dass diese naturnahe und pferdegerechte Haltungsform ein ganz entscheidender Beitrag zu der von uns angestrebten feinen Reitweise darstellt. Die Pferde sind ausgeglichen, zufrieden sowie jederzeit locker und geschmeidig, weil sie sich rund um die Uhr bewegen können und durch den offenen Stall am Geschehen in ihrer Umwelt beteiligt sind. Wir sitzen selbst im Winter bei knackiger Kälte auf völlig entspannten Pferden, die nicht im Entferntesten „heiß“ oder „kernig“ sind. Deshalb ist diese Art der Haltung auch für uns Reiter von Vorteil: sie macht das Reiten sicherer."
Uta Gräf, deutsche Dressurreiterin und mehrfache Grand Prix Siegerin
Während die traditionelle Boxenhaltung für den Pferdebesitzer zweifelsfrei am komfortabelsten ist, spart sie doch Zeit und hat kurze Wege - ist es als Pferdebesitzer weitaus zeitintensiver und aufwändiger, sein Pferd vor der Trainingsstunde erst einmal vom anderen Ende des Paddocktrails einzusammeln um die Schlammkruste abzukratzen, bevor das Pferd gesattelt werden kann. Dennoch mehren sich die Pferdebesitzer, die ihrem Pferd maximale Freiheit und Lebensqualität ermöglichen wollen - für die (doch geraume) Zeit am Tag, die sie nicht gemeinsam verbringen können. Dabei ist die Gruppenhaltung nicht immer die perfekte Lösung. Der Einzelfall hängt von den örtlichen Gegebenheiten, dem Anlagen-Potential und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Pferdegruppe (Rasse, Alter, Geschlecht etc.) ab.
Branche und Hersteller sind gefragt, Produktlösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen von Pferdebesitzern und Pferden gerecht werden.
Ob die indidivuell beste Lösung eine mit Beschäftigungsanreizen bereicherte Boxenhaltung mit zusätzlichen Auslauf in der Kleingruppe ist oder ein Offenstall mit für jedes Pferd bedarfsgerecht eingestellten Fütterungsautomaten und einem Deckenservice, das muss jeder für sich entscheiden. An dieser Stelle sind Produktdesigner und Hersteller gefragt, sinnvolle und praktikable Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Pferdebesitzer und ihrer Pferde gerecht werden. Die Angebote und Möglichkeiten auf dem Markt nehmen zu und entwickeln sich gemeinsam mit der Wissenschaft weiter in Richtung Pferdewohl. Wohin und wie vielfältig sich der Lebensraum des Pferdes verändert, zeigt die Sonderschau “Equi Living” und lädt auf eine spannende Entdeckungsreise ein.