Der spoga horse Ländercheck (5): Die Pferdebranche in Dänemark
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Die spoga horse ist die weltweit führende B2B-Messe für die Pferdebranche. Ein wesentlicher Pluspunkt für Besucher und Aussteller: Ihre Internationalität. Aussteller aus 33 Ländern und Besucher aus 72 Ländern nahmen an der spoga horse Herbst 2019 teil. Die Vernetzung von Geschäftspartnern über Ländergrenzen hinweg ist ein wichtiger Auftrag der spoga horse. Deswegen werfen wir in der neuen Serie „spoga horse Ländercheck“ einen genauen Blick auf die wichtigsten Absatzmärkte der spoga horse.
Hinweis: Es handelt sich um teilweise gekürzte Fassungen der ursprünglich im Fachmagazin „ReitsportBRANCHE“ erschienen Artikel von Sebastian Reichert. Wenn Sie Interesse an den vollständigen Publikationen haben, können Sie die die komplette Ländlercheck-Serie über info@reitsport-branche.com bestellen.
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Dänemark ist ein Züchterland, und besonders das an Deutschland anschließende, ländlich geprägte Jütland ist Pferdeland“, sagt Achaz von Buchwaldt. Der Reitmeister kennt sich in dem kleinen Königreich aus. Er trainierte sechs Jahre lang, von 2005 bis 2011, die dänischen Springreiter. „Pferde haben historisch gesehen einen großen Einfluss auf die dänische Gesellschaft gehabt – auf das Militär, die Industrie und die Landwirtschaft“, erklärt Rikke Hoejgaard vom Dansk Ride Forbund (DRF), dem dänischen FEI-Nationalverband. Und Dennis Thrysøe vom Hersteller Karlslund Riding Equipment ergänzt: „Pferde sind ein extrem wichtiger Teil unserer Kultur und unseres Geschäftslebens – beides ist nach wie sehr lebendig.“
Politische und wirtschaftliche Fakten
Dänemark besteht neben dem Festland (Jütland) aus etwa 500 Inseln. Auch die Hauptstadt Kopenhagen liegt auf einem von der Ostsee umschlossenen Gebiet: auf Seeland. Im Hauptstadt-Großraum leben 1,4 Millionen der 5,8 Millionen Einwohner Dänemarks. 40 Prozent wohnen auf Seeland, 86 Prozent in Städten. Dänemark ist stark urbanisiert. Es gibt nur relativ wenige unter Naturschutz gesetzte Flächen. Wegen seiner vielen Inseln und zerklüfteten Buchten verfügt das Land über eine verhältnismäßig lange Küstenlinie von 7314 Kilometern. Die Landgrenze – es gibt nur die im Süden zu Deutschland – ist mit 67 Kilometern vergleichsweise kurz. Die größte Erhebung, der Hügel Møllehøj in der Nähe von Aarhus, ist gerade einmal 170 Meter hoch. Nach der Hauptstadt zählen Aarhus (228.000 Einwohner), Odense (158.000) und Aalborg (122.000) zu den größten Städten. Dänemark ist in die fünf Regionen Nordjylland (Nordjütland), Midtjylland (Mitteljütland), Syddanmark (Süddänemark), Hovedstaden (Hauptstadtregion) und Sjælland (Seeland) untergliedert. Zum Königreich gehören außer dem Kernland noch Grönland (56.000 Einwohner) sowie die Färöer-Inseln (50.000 Einwohner).
Seit 1973 ist Dänemark Mitglied der Europäischen Union (EU), hat jedoch nie den Euro als Zahlungsmittel eingeführt, sondern die Dänische Krone (1 Krone = 100 Öre) behalten. Ein Euro entspricht aktuell etwa als 7,5 Kronen. Deutschland ist sowohl was den Export als auch was den Import betrifft wichtigster Handelspartner der zwölftgrößten EU-Volkswirtschaft. Das kleine Königreich exportierte 2017 Güter im Wert von 90,8 Milliarden Euro und importierte Waren im Wert von 82,4 Milliarden Euro. 0,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts von 288,4 Milliarden Euro wurde 2017 durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei erwirtschaftet.
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Noch eine interessante Randnotiz zur Landwirtschaft: In Dänemark leben mehr als doppelt so viele Schweine wie Menschen. Die Tiere werden entweder exportiert oder landen im dänischen Hotdog oder als Nationalgericht auf dem Teller: Schweinebauch mit Schwarte. Neben der Land- und Forstwirtschaft, die zum Beispiel auch einen Großteil der Weihnachtsbäume für den deutschen Markt liefern, zählt außer den Hochtechnologie-Branchen auch der Tourismus zu den wichtigen Einnahmequellen. So reisen rund eine Million Deutsche (12 Millionen Übernachtungen) jedes Jahr laut dem Deutschen Reiseverband nach Dänemark.
Reitwesen und Verbandsstruktur in Dänemark
Dachverband aller Reiter, Fahrer, Voltigierer und Co. ist der 1917 gegründete Dansk Ride Forbund (DRF). Er gehört zu den acht Nationalverbänden, die 1921 die den Weltverband FEI in Paris gründeten. Mit knapp 69.000 Mitgliedern (und 542 Vereinen) ist der DRF der siebtgrößte Sportverband in Dänemark. „Dänemark hat eine starke Vereinskultur, begleitet von einer stark ausgeprägten Ehrenamtsmentalität. Das in Verbindung mit den wirtschaftlichen Mitteln und der Natur macht den Reitsport stark im Land“, sagt DRF-Sprecherin Rikke Hoejgaard. „In fast jedem größeren Ort in Dänemark gibt es einen Reitklub“, ergänzt Uwe Schrader, Außendienstmitarbeiter von HKM Sports Equipment in Dänemark. Im Vergleich zu 2014 wuchs der Reitsportverband um 0,45 Prozent. Von 1958 (3.559 Mitglieder, 48 Vereine) an verzeichnete der DRF innerhalb von 50 Jahren bis zu seinem Maximum im Jahr 2008 (78.699 Mitglieder, 541 Vereine) einen enormen Zuwachs.
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Bei den Frauen ist der Ride Forbund der viertgrößte Verband: Fast so viele Däninnen reiten (61.954) wie Fußball spielen (63.294). Bei den 13 bis 18 Jahre alten Mädchen ist Reiten (15.335) nach Mitgliederzahlen die zweitbeliebteste Sportart – nach Fußball (19.559). Im Reitverband ist die Gruppe der bis zu zwölfjährigen Mädchen die mitgliederstärkste Altersgruppe. Prozentual in Bezug auf die Bevölkerung die meisten Reiter gibt es in der Kommune Brønderslev in der Region Nordjütland, wo 4,1 Prozent der Anwohner DRF-Mitglied (insgesamt 1479 Mitglieder) sind – gefolgt von Gentofte (4,0 Prozent, 3018 Mitglieder) und Gribskov (3,9 Prozent, 1620 Mitglieder) ganz im Norden von Seeland.
Die dänische Zucht
Foto: Rebecca Schönbrodt-Rühl
Die organisierte Pferdezucht lässt sich derweil bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Dabei wird die enge Verbindung von Adel, Pferden und Reitsport deutlich, die auch heute noch existiert. Bereits 1562 gründete König Frederik II. im Stadtgebiet von Kopenhagen auf dem Boden des ehemaligen Klosters Esrom das Königliche Hofgestüt Frederiksborg mit spanisch-andalusischem Zuchtmaterial. Über 200 Jahre lang sollte es eine der führenden Zuchtstätten Europas sein. Schloss Christiansborg in Kopenhagen beherbergt auch heute noch Reitplätze und Stallungen. „Es ist schön, dass die Königsfamilie aktiv am Pferdesport teilnimmt“, sagt Susan Gylling von Mink Horse, einer dänischen Bekleidungs- und Ausrüstungsmarke für Pferd und Reiter.
Auf die Königsfamilien geht auch die älteste stammbuchgeführte Barockpferderasse der Welt zurück. Die Frederiksborger gelten als genetisches Kulturgut Dänemarks. Mit der sinkenden Nachfrage nach Arbeitspferden breitete sich indes in den vergangenen Jahrzehnten über das ganze Land eine Sportpferdezucht aus. Das Dänische Warmblut, eine Kreuzung verschiedener Arten, wird seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gezüchtet – und ist im Sport sehr erfolgreich. Laut Ranking des niederländischen Reitjournalisten Jac Remijnse weist das Dänische Warmblut den höchsten Prozentsatz der Fohlen auf, die es tatsächlich in die internationale Spitze im Dressur-Sport schaffen. Heute macht das Dänische Warmblut das Gros der dänischen Zucht aus, wenngleich mit der Ausbreitung der Freizeitreiterei Knabstrupper (meist Tigerschecken – also Schimmel mit schwarzen und/oder braunen Flecken) und Frederiksborger dank ihrer Intelligenz und Gutmütigkeit von einer Renaissance profitieren. „In den letzten 15 Jahren hat sich der Zuchtschwerpunkt deutlich in Richtung Dressur verschoben. Da wurde viel Geld investiert“, erklärt der frühere dänische Nationaltrainer der Springreiter, Achaz von Buchwaldt, der auch einen intensiven Austausch mit dem pferdereichen Schleswig- Holstein (bis 1866 eine Provinz Dänemarks) beobachtet.
Foto: Monsterkoi
Heute beeinflusst die dänische Zucht, besonders von Dressurpferden, ganz Europa. Federführend ist dabei unter anderem das Gestüt Blue Hors, hinter dem Kjeld Kirk Kristiansen steht. Er ist der Enkel des Firmengründers von Lego (= leg godt – spiel gut) und Hauptaktionär des weltweit größten Spielwarenhersteller. Er gilt als reichster Mann des Landes. Welchen Einfluss Top-Unternehmen sowie der Adel zusammen mit deutschen Experten auf den dänischen Reitsport haben, lässt sich am Beispiel der Dressurreiterinnen Anna Kasprzak und Nathalie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg illustrieren. Beide haben deutsche Väter und leb(t)en in Deutschland. Anna Kasprzak feierte auf dem „Blue Horse“-Pferd Future Cup ihre ersten großen Erfolge, die sie auch dem Sponsoring ihrer Mutter verdankt. Hanni Toosbuy Kasprzak gehört die milliardenschwere Schuhmarke Ecco aus dem dänischen Bredebro unweit der deutschen Grenze. Die Mutter von Nathalie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ist Prinzessin Benedikte, die jüngere Schwester von Königin Margrethe II. und selbst passionierte Reiterin und Züchterin.
Der Reitsporthandel in Dänemark
Etwa 250 Einzelhandelsgeschäfte für Pferdesportliebhaber gibt es insgesamt in Dänemark. Eine von zwei großen Einzelhandelsketten für Reitsportausrüstung ist „Horze“. Die Anfänge des Unternehmens („Finn-Tack“) gehen bis ins Jahr 1982 auf drei Hufeisen-Hersteller aus dem finnischen Lahti zurück. Neben acht Filialen in ihrem Heimatland und neun Läden in Norwegen (sowie drei Filialen in Deutschland) ist die Firma auch in Dänemark mit acht Geschäften vertreten. Fast dreimal so viele Läden, nämlich 21, gehören zum Genossenschaftsunternehmen Danish Agro. Auch in diesen werden Reit-sportartikel angeboten. „20 Prozent der Reitsportgeschäfte in Dänemark sind große, gut sortierte Läden“, erklärt Susan Gylling. Ihr Unternehmen Mink Horse beliefert über 120 Geschäfte im Land. „Der Rest sind kleine Ein- Mann-Betriebe, in denen vielleicht noch der Ehemann, die Ehefrau oder die Tochter oder der Sohn mithelfen. Viele existieren davon auch in Verbindung mit den zahlreichen Reitsportvereinen.“
Foto: Cedroc
Wobei es auf der generell eher dünner besiedelten Nordseeseite auch weniger Reitsportgeschäfte gibt. Dennoch fällt auf: Obwohl Dänemark geografisch gesehen ein kleines Land ist (und deshalb folgerichtig auch der Reitsportmarkt nicht riesengroß ist), gibt es doch dort relativ viele namhafte Hersteller. Warum ist das so? „Dänemark war schon immer ein sehr innovatives Handelsland“, sagt Dennis Thrysøe von dem auf Islandpferde spezialisierten Hersteller Karlslund Riding Equipment. „Auch die Dänen selbst legen beim Einkaufen mehr wert als zum Beispiel die Deutschen auf Marken namhafter Hersteller“, führt HKM-Außendienstmitarbeiter Uwe Schrader aus. Und nicht zuletzt ist Dänemark in der Welt nicht nur für Lego, Hot Dogs, Lakritz und sein Königshaus bekannt. Susan Gylling von Mink Horse erklärt, was auch für die Hersteller von Reitsportkleidung und -zubehör zutrifft: „Dänisches Design hat im Ausland einen sehr guten Ruf.“
Foto: Kevin Schmid