Der spoga horse Ländercheck (2): Die Pferdebranche in den Niederlanden
Foto: Pixelia
Die spoga horse ist die weltweit führende B2B-Messe für die Pferdebranche. Ein wesentlicher Pluspunkt für Besucher und Aussteller: Ihre Internationalität. Aussteller aus 33 Ländern und Besucher aus 72 Ländern nahmen an der spoga horse Herbst 2019 teil. Die Vernetzung von Geschäftspartnern über Ländergrenzen hinweg ist ein wichtiger Auftrag der spoga horse. Deswegen werfen wir in der neuen Serie „spoga horse Ländercheck“ einen genauen Blick auf die wichtigsten Absatzmärkte der spoga horse.
Hinweis: Es handelt sich um teilweise gekürzte Fassungen der ursprünglich im Fachmagazin „ReitsportBRANCHE“ erschienen Artikel von Sebastian Reichert. Wenn Sie Interesse an den vollständigen Publikationen haben, können Sie die die komplette Ländlercheck-Serie über info@reitsport-branche.com bestellen.
Politische und wirtschaftliche Fakten
„Die Niederlande sind nicht nur ein traditionelles Land der Pferdezüchter. Der prozentuale Anteil der Reiter im Vergleich zur Einwohnerzahl ist bei uns vielleicht der höchste in der Welt“, sagt Geert Postema, Geschäftsführer von Divoza Horseworld. Etwa vier Prozent der Niederländer reiten demnach.
Foto: Free-Photos
In Amsterdam leben etwa 830.000 von insgesamt knapp 17 Millionen Einwohnern. Nach der Hauptstadt zählen die Hafenmetropole Rotterdam (630.000), Den Haag (519.000), Utrecht (339.000) und Eindhoven (225.000) zu den größten Städten. Der (europäische) Teil des Landes ist in zwölf Provinzen untergliedert; die jüngste Provinz – Flevoland – wurde erst 1986 gegründet. Sie wurde zu großen Teilen dem Ijsselmeer abgewonnen.
Deutschland ist was den Export wichtigster und was den Import betrifft zweitwichtigster Handelspartner der sechstgrößten EU-Volkswirtschaft. Die Niederlande exportierte 2017 Güter im Wert von 468,2 Milliarden US-Dollar und importierte Waren im Wert von 411,2 Milliarden US-Dollar. 9,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts von 733,1 Milliarden Euro wurde 2017 durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei erwirtschaftet. Die Niederlande mit ihrer technologisierten und produktiven Landwirtschaft sind nach den USA und Frankreich der weltweit drittgrößte Exporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse, obwohl der Sektor nur zwei Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt. Unter anderem gibt es neben den berühmten Gurken, Tomaten und Tulpen auch Milchviehhaltung in großem Maßstab. Käse ist ein wichtiges Exportprodukt.
Foto: PublicDomainPictures
Reitwesen und Verbandsstruktur in den Niederlanden
Dachverband aller Reiter, Fahrer, Voltigierer und Co. ist die 1924 gegründete Koninklijke Nederlandse Hippische Sportfederatie (KNHS) - mit knapp 192.000 Mitgliedern einer der größten Sportverbände des Landes. „Reiten gehört auf jeden Fall zu den Top Ten im niederländischen Sport“, sagt Monique van Dooren-Westerdaal, CEO Equine Industry (Oisterwijk / Tilburg). Interessant beim Vergleich: Die Zahl der Menschen, die sich für Pferde begeistern, wird genauso hoch angegeben wie die KNVB-Mitgliederzahl – 1,2 Millionen. 70 Prozent aller Reiter betrieben ihren Sport zum reinen Vergnügen. 250.000 der insgesamt 450.000 Pferde in den Niederlanden sind in Privatbesitz – mit steigender Tendenz in den letzten Jahren trotz des wirtschaftlichen Abschwungs. Mit 80 Prozent ist die absolute Mehrzahl der 500.000 reitenden Niederländer weiblich. „Mädchenfußball und Hockey sind zuletzt aber auf Kosten des Reitsports gewachsen“, erklärt Monique van Dooren-Westerdaal.
Foto: Rebecca Schönbrodt-Rühl
Professionalisierung und Zucht in den Niederlanden
50.000 der KNHS-Mitglieder sind Turnierreiter. 135.000 aller Mitglieder haben eigene Pferde. Mit etwa 25 Pferden auf 1000 Menschen gibt es den Niederlanden eine der höchsten Dichten an Pferden in Europa. Insgesamt 765.000 Turnierstarts in acht verschiedenen Disziplinen ergeben zudem nach Verbandsangaben die höchste Anzahl an Turnierstarts pro Reiter in Europa. Mehr als 3000 Reitzentren und Reitvereine organisieren zusammen 7300 Veranstaltungen pro Jahr. Die Mehrzahl der Reitschulen sind der Federatie Nederlandse Ruiter Sportcentra (FNRS) angeschlossen. Die meisten Wettkampfreiter sind im Gelderland (4327) in der östlichen Mitte und in Noord-Brabant (4044) im Süden des Landes beheimatet. Niederländische Reiter räumten bei Olympischen Spielen insgesamt schon 23 Medaillen ab. Bei den Spielen 2012 in London brachten sie sechs Medaillen nach Hause – 20 Prozent aller niederländischen Medaillen. Bei den vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften landeten die Oranje-Reiter insgesamt 26-mal auf dem Treppchen.
Foto: Kira Hoffmann
„Namen wie Anky van Grunsven und ihr Erfolgspferd Bonfire kennt bei uns fast jeder“, berichtet Monique van Dooren-Westerdaal. Dabei hat die Dressur nach wie vor im Land einen etwas größeren Stellenwert als das Springreiten. „Die Niederländer haben zuletzt unheimlich auf die Zucht geachtet – den Sport vom Juniorenbereich beginnend gefördert“, sagt Henrik Berkel, Deutschland-Vertriebsleiter von Imperial Riding, einem der ältesten niederländischen Großhändler für Reitsportausrüstungen. „Sie haben es verstanden, die meisten talentierten Pferde im Land zu halten.“
Diese Aufgabe haben der Nederlands Olympiade Paard (NOP) und der Springpaarden Fonds Nederland (SFN). Der NOP hat aktuell 17 potentielle Team-Pferde unter Vertrag, damit die Equipe möglichst in Bestbesetzung bei den Olympischen Spielen in Rio antreten kann. Bei der letzten Weltmeisterschaft setzte das siegreiche niederländische Springteam auf vier Pferde aus dem eigenen Land.
Gleichzeitig sind die Niederlande das größte Pferde-Exportland der Welt, erklärt der eigene Sportverband. So ritten alle vier Reiter des britischen Dressurteams, das zuletzt WM-Gold gewann, auf niederländischen Pferden. Pferde der Rasse des Koninklijk Nederlands Warmbloed Paard (KWPN) – des Niederländischen Warmblut – gehören zu den besten Sportpferden der Welt und deshalb auch zu den gefragtesten. 10.000 KWPN Fohlen werden jedes Jahr geboren. 2013 wurden Pferde im Wert von 200 Millionen Euro ins Ausland verkauft.
Foto: Erdenebayar Bayansan
Insgesamt beschäftigt die niederländische Pferdebranche mit 6600 verbundenen Unternehmen Zehntausende Menschen und erwirtschaftet einen geschätzten Gesamtumsatz von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Umrechnungen des Sportverbandes zufolge sichern so sieben Pferde jeweils einen Arbeitsplatz. Nach Fußball ist der Pferdesport laut KNHS der Sport mit dem größten wirtschaftlichen Wert. Niederländische Trainer sind in Equipen weltweit gefragt. Viele ausländische Mannschaften bestreiten im Land häufig mehrwöchige Trainingslager.
Der niederländische Reitsportfachhandel
Mit „Divoza Horseworld“ und „Epplejeck“ gibt es sechs große Einzelhandelsketten für Reitsportausrüstung. Divoza hat verteilt über das ganze Land fünf Geschäfte, die zwischen 1000 und 2000 Quadratmeter groß sind und teilweise Reitplätze zum Einstellen der Sattel, Sattelereien sowie Stickerei- und Gravur-Studios angeschlossen haben. „Wir betrachten Divoza als Marktführer“, sagte Geschäftsführer Geert Postema. Sowohl Divoza, dessen Firmengeschichte bis ins Jahr 1928 zurückreicht, als auch das 2008 gegründete Epplejeck haben auch einen großen (deutschsprachigen) Onlineshop.
Eine klein wenig erinnert die Konstellation der beiden großen Einzelhandelsketten an die Geschichte von „Adidas“ und „Puma“. Mitinhaber von Epplejeck ist Adam Postema. Der Bruder von Geert Postema verabschiedete sich einst wohl nicht ganz geräuschlos von Divoza. Inhaberin von „Epplejeck, Horse & Rider Superstores“ mit aktuell zwölf Filialen ist Jacqueline Freeke, die Ehefrau von Adam Postema. Das in den sozialen Medien sehr aktive Epplejeck will im Vergleich zu Divoza modischer, jünger und frischer wirken und setzt nicht so sehr auf preisintensive Marken.
Foto: David Wagner
Ein weiterer großer Player im niederländischen Reitsportgeschäft ist die von Steef Duijndam 1985 gegründete Hypo Group. Während Duijndam 60 Prozent der Anteile von Hypo Wholesale, zu der die Marken HV POLO, euro-star und Imperial Riding gehören, 2013 an die belgische Investor-Gesellschaft Vendis Capital verkaufte, hat er sich seit Anfang 2016 komplett aus dem operativen Geschäft von Hypo Retail mit seinen Einzelhandelsgeschäften zurückgezogen. Epplejeck kaufte einen Teil und übernahm unter anderem „Hyporama“ in Rotterdam und „Hypoplaza“ in Den Haag.
Etwa 400 Einzelhandelsgeschäfte für Pferdesportliebhaber gibt es indes insgesamt in den Niederlanden. „Die Niederländer sind gute Kaufleute“, sagt Henrik Berkel von Imperial Riding. Dazu gehört vielleicht auch, dass besonders die großen Geschäfte noch stärker als in Deutschland auf den Onlinehandel setzen. Das trägt im Umkehrschluss aber auch dazu bei, dass kleine Läden zuletzt häufig an Umsatz einbüßten und nicht selten auch schließen müssen. „Die Geschäfte sind im Vergleich zu Deutschland insgesamt modischer“, sagt Jacob Janssen von Passier. „Produkte kommen schneller rein, sind aber auch schneller wieder raus.“ Nicht umsonst würden neue Marken oft zuerst in den Niederlanden gestartet. „Die Niederländer sind mutiger, was Farben und neue Konzepte betrifft“, bestätigt Berkel. So gebe es zum Beispiel selbst Anbindehaken für den Stall in den passenden Farben zum Gesamtkonzept. „Das findet man so woanders in Europa nicht.
Die Niederlande auf der Spogahorse
Foto: djdje
Auf der spoga horse 2019 stellten 19 Aussteller aus den Niederlanden aus, etwa 9 Prozent der Besucher kamen aus den Niederlanden. Laut Ausstellerbefragung zählen die Niederlande für rund zwei Drittel aller Aussteller zu ihren wichtigsten Absatzmärkten.
Sie möchten den niederländischen Markt für sich erschließen oder Ihre Geschäftsbeziehungen stärken? Dann nehmen Sie an der spoga horse 2021 teil: Als Aussteller oder Fachbesucher .