Der spoga horse Ländercheck (12): Die Pferdebranche in Österreich
Die spoga horse ist die weltweit führende B2B-Messe für die Pferdebranche. Ein wesentlicher Pluspunkt für Besucher und Aussteller: Ihre Internationalität. Aussteller aus 33 Ländern und Besucher aus 72 Ländern nahmen an der spoga horse Herbst 2019 teil. Die Vernetzung von Geschäftspartnern über Ländergrenzen hinweg ist ein wichtiger Auftrag der spoga horse. Deswegen werfen wir in der neuen Serie „spoga horse Ländercheck“ einen genauen Blick auf die wichtigsten Absatzmärkte der spoga horse.
Hinweis: Es handelt sich um teilweise gekürzte Fassungen der ursprünglich im Fachmagazin „ReitsportBRANCHE“ erschienen Artikel von Sebastian Reichert. Wenn Sie Interesse an den vollständigen Publikationen haben, können Sie die die komplette Ländlercheck-Serie über info@reitsport-branche.com bestellen.
Der Olymp liegt im Alpenland
Österreich – eine Skifahrernation? Ja, natürlich! Aber auch ein Pferdesportland? Und ob! Der Olymp der klassischen Reitkunst – die Spanische Hofreitschule und ihre Gestüte – wird jährlich von rund 400.000 Menschen aus aller Welt besucht. Nicht wenige der Touristen fahren bei einem Besuch Wiens dann auch in einem der vielen Zweispänner der Fiakerbetriebe durch die engen Straßen der Hauptstadt. Die Voltigierer gehören zur Weltspitze. Der Haflinger wurde von Österreich aus in die ganze Welt exportiert. Und der Noriker ist ein nationales hippologisches Kulturgut. Nicht zu vergessen: Das größte Reitsportfachgeschäft Europas befindet sich wo? In Österreich!
In Teil 12 unserer Serie „Länder-Check“ stellen wir Österreich und seine Reitsportbranche vor.
Das Pferd trägt ein sympathisches Gesicht von Österreich in die Welt“, sagt Herbert Gugganig, Bundesobmann der „Ländlichen Reiter und Fahrer“. Und Dietrich Sifkovits, Generalsekretär des Österreichischen Pferdesportverbandes (OEPS), ergänzt: „Geschichtlich gesehen war Österreich schon immer ein Pferdesportland. Die Bewegung mit dem Partner Pferd ist im Freizeitbereich und auch ohne turniersportlichen Gedanken üblich und möglich. Das Reiten im Freien ist im Großen und Ganzen in vielen Gebieten ungehindert möglich. Von Gästen aus dem Ausland werden die dafür Verantwortlichen immer wieder gelobt und beneidet.“
Binnenstaat mit vielen Nachbarn
Die Republik Österreich ist ein mitteleuropäischer Binnenstaat und hat insgesamt acht Nachbarländer: Im Uhrzeigersinn sind das Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, die Schweiz und Lichtenstein. Rund 8,7 Millionen Menschen leben in Österreich – das sind vier Millionen Menschen weniger als Bayern Einwohner hat. Zum weiteren Vergleich: Das benachbarte süddeutsche Bundesland ist flächenmäßig nur etwas kleiner als die gesamte österreichische Republik. Diese ist aufgeteilt in neun Bundesländer – das Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, die Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien.
62 Prozent der österreichischen Staatsfläche werden von alpinem Hochgebirge gebildet. Nur 32 Prozent der Landesfläche liegen dabei tiefer als 500 Meter. Mit 3798 Metern ist der Großglockner in den Hohen Tauern der höchste Berg des Landes. Mit Nebengipfeln gibt es fast 1000 Dreitausender in Österreich. Während im Flächenmittel durchschnittlich pro Jahr etwa 3,3 Meter Neuschnee fallen, sind es hingegen auf dem Sonnblick auf 3100 Metern im Jahresschnitt 22 (!) Meter Neuschnee.
Wien... Nur du allein!
Wien ist mit 1,8 Millionen Einwohnern sowohl klar die einwohnerstärkste Stadt als auch die Landeshauptstadt. In Graz (283.000 Einwohner) als der zweitgrößten Stadt leben über 1,5 Millionen Menschen weniger als in Wien. Die Hauptstadt liefert sich mit Hamburg ein Duell darum, wer nach Berlin die zweitgrößte Stadt im deutschen Sprachraum ist. In der Wiener Metropolenregion leben etwa 2,6 Millionen Menschen – das entspricht mehr als einem Viertel der Gesamtbevölkerung. Um das Jahr 1910 war Wien mit über zwei Millionen Einwohnern sogar die fünftgrößte Stadt der Welt. Mit jährlich mehr als fünf Millionen Touristen aus dem Ausland zählt die Kapitale zu den zehn meistbesuchten Städten Europas.
Nachbar Deutschland ist sowohl was den Export als auch was den Import betrifft mit Abstand der wichtigste Handelspartner für die österreichische Volkswirtschaft. Knapp über 1 Prozent Prozent des Bruttoinlandprodukts von 337,2 Milliarden Euro Milliarden Euro wurde 2015 durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei erwirtschaftet. Für Deutschland ist Österreich nach den USA, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und China der sechstwichtigste Handelspartner. Die Alpenrepublik exportierte 2015 insgesamt Güter im Wert von 137,8 Milliarden Euro und importierte Waren im Wert von 140,1 Milliarden Euro.
Kutsche vor dem Prinz-Eugen-Reiterdenkmal von 1865 auf dem Heldenplatz in Wien.
Wirtschaftskraft Tourismus
Der Tourismus ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Österreich. 17,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts entfielen 2014 auf den Bereich Handel/Gaststätten/Hotel. Mit rund 140,85 Millionen Übernachtungen wurde 2016 erstmals die 140-Millionen-Marke überschritten. Im selben Jahr wurde eine direkte Wertschöpfung von 19,7 Milliarden Euro aus dem Tourismus erzielt. Das entspricht 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Anteil deutscher Übernachtungen lag 2016 bei 37,4 Prozent. Damit ist Deutschland auch beim Tourismus wichtigster Partner. Insgesamt wurden 2016 knapp 13 Millionen Gästeankünfte aus Deutschland gezählt – ein Plus von 845.318 Gästen. Laut Österreich Werbung war Tirol mit 46 Prozent aller Übernachtungen besonders geliebt, gefolgt von Salzburg (20,5 Prozent) und Vorarlberg (9,7 Prozent). Einen Grund für den Zuwachs sehen die österreichischen Touristiker darin, dass Österreich die Sehnsucht vieler Deutscher nach Natur und Gelassenheit bediene.
Dachverband aller Pferdesportler im Land ist der Österreichische Pferdesportverband (OEPS) mit über 20 Sparten. 2016 zählte er 47.771 Mitglieder in 1371 Vereinen. Seine Anfänge gehen bis ins Jahr 1872 zurück. Damals wurde die „Gesellschaft zur Prämierung gut dressierter Campagnepferde in Wien“ gegründet. 1883 wurde daraus die „Österreichische Campagnereiter-Gesellschaft“, die 1928 dann der FEI beitrat. Bei der Neuorganisation des Pferdesports in Österreich ging aus der nach wie vor heute noch existierenden Campagnereiter-Gesellschaft 1962 schließlich der „Bundesfachverband für Reiten und Fahren“ hervor – der heutige Österreichische Pferdesportverband.
Mitgliederzuwachs im Pferdesport
Der OEPS ist nach Fußball, Tennis, Skilauf, Stocksport, Golf, Turnen, Wettklettern und Schwimmen der nach Mitgliederzahlen neuntgrößte Sportverband Österreichs. In den vergangenen 20 Jahren wuchs der Verband relativ stark. Hatte er 1996 noch 36.094 Mitglieder, waren es im Jahr 2016 über 11.000 mehr. „Diese für uns positiven Zahlen sehen wir durchaus als Bestätigung unseres gemeinsamen Weges in Österreich“, erläutert OEPS-Generalsekretär Sifkovits auf Nachfrage von Reitsport BRANCHE. „Wir als Verband setzen auf Service und Synergien. Den Erfolg verdanken wird in erster Linie dem unermüdlichen Einsatz unserer unzähligen ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre, die sich tagtäglich unentgeltlich für den Pferdesport mit aller Kraft einsetzen.“
Eva Morawetz, Chefredakteurin der „Pferderevue“, dem einzigen gedruckten Reitsportmagazin im Land, sieht eine jahrzehntelange, stetige Entwicklung als ursächlich für den Mitgliederanstieg. „Etwa seit den 1970er-Jahren hat sich der Pferdesport, der sich bereits nach dem Zweiten Weltkrieg entmilitarisiert hatte, mehr und mehr zum Freizeit- und Breitensport entwickelt“, sagt sie über die Veränderungen in Österreich. „Auch aus der Landwirtschaft ist das Pferd im 20. Jahrhundert als Arbeitstier weitgehend verdrängt worden, es fand aber in den vergangenen 30 bis 40 Jahren zunehmend eine neue Rolle in der Gesellschaft.“
Und zwar „als Freizeitpartner und als Lebewesen, das aufgrund seiner sozialen und physischen Eigenschaften – nämlich zum Beispiel seine Fähigkeit, Menschen zu tragen – auch im therapeutischen Kontext wertvolle Dienste leistet und große Wertschätzung erfährt“, erklärt die Pferdesportjournalistin. „Der Umgang mit Pferden wird auf den verschiedensten Ebenen – im Bereich der sportlichen Betätigung, aber auch im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung – als bereichernd und fördernd erlebt, so dass der Pferdesport in Österreich heute sehr vielseitig ist und laufend neue Facetten hinzugewinnt, gerade auch im Freizeitbereich.“
Österreicher lieben Pferde
Laut eigenen Angaben vertritt der OEPS neben den etwa 13.000 Turnierreitern noch die Interessen von 34.000 Freizeitreitern. Insgesamt etwa 400.000 Personen in Österreich reiten, fahren oder beschäftigen sich laut einer etwas älteren Studie mit Pferden. „Über 80 Prozent der Osterreicher haben eine positive Beziehung zu Pferden“, erklärt „Pferd Austria“, eine 2004 von zehn Partnern ins Leben gerufene Plattform, die die Bedeutung des Wirtschafts- und Freizeitfaktors Pferd im eigenen Land stärken will.
Mit 15.084 Mitgliedern ist der Dachverband indes am stärksten im größten Bundesland – in Niederösterreich – vertreten. In Dressur (32.635), Springen (68.313) und Vielseitigkeit (1.912) gab es im Jahr 2015 insgesamt 102.860 Turnierstarts. Auch was die Anzahl an Vereinen betrifft, ist unterdessen Wachstum zu beobachten: 1996 existierten 722 Klubs; 2016 wurden 1371 gezählt. Ähnliches gilt, was die Anzahl an Pferden betrifft: Vor 20 Jahren waren 8355 Turnierpferde registriert, 2015 waren es 12.905. Dabei hatte der Pferdebestand insgesamt nach dem Zweiten Weltkrieg (1938: 250.000 Tiere) stark abgenommen. Nachdem es 1973 nur noch 39.000 Tiere in Österreich gab, werden nach offiziellen Zahlen derzeit rund 120.000 bis 130.000 Pferde in etwa 25.000 (größtenteils bäuerlichen) Betrieben gehalten. „Heute ist das Pferd Sport- und vor allem Freizeitpartner“, sagte Herbert Gugganig anlässlich der 6. Österreichischen Pferdefachtagung im März 2017.
Noriker: das traditionelle Gebirgskaltblutpferd
Pferde schaffen Arbeitsplätze
„Pferde sichern auch viele unserer Arbeitsplätze“, schreibt „Pferd Austria“ mit ihrer Geschäftsführerin Dr. Andrea Holzleithner. Auf den Tourismus- und Freizeitfaktor Pferd sind nicht nur 1,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung zurückzuführen, er generiert in Österreichs Volkswirtschaft auch insgesamt eine Produktion im Wert von bis zu 2,1 Milliarden Euro. Darin stecken – so ermittelte das Industriewissenschaftliche Institut 2011 – rund 0,83 Milliarden Euro an Tourismus- und 1,27 Milliarden Euro an Freizeiteffekten. „Das bedeutet, dass jedes Pferd im Durchschnitt eine Produktion in der Höhe von bis zu 17.400 Euro auslöst.“
Allein im Tourismus- und Freizeitbereich sichern also Pferde nach dieser Studie insgesamt im Land bis zu 23.000 Arbeitsplätze. „Etwa fünf Pferde schaffen einen Arbeitsplatz.“ Nach Innungsangaben gab es in Österreich zum Beispiel insgesamt 326 gewerbeberechtigte Hufschmiede (Stand: Mai 2016) – davon allein 100 in Niederösterreich. „Durch die positive Entwicklung der Pferdewirtschaft konnten aber nicht nur alte Berufe erhalten, sondern auch neue Berufsbilder, wie zum Beispiel Pferdetherapeut, geschaffen werden.“ So spielte Österreich auch eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung des heilpädagogischen Voltigierens.
Tradition pur - Spanische Hofreitschule
Auf eine über 450-jährige Geschichte zurückblicken kann hingegen die Spanische Hofreiteitschule. Sie ist damit die älteste Reitschule der Welt, in der die klassische Reitkunst in der Renaissancetradition der „Hohen Schule“ seit Jahrhunderten gepflegt wird. Jährlich besuchen rund 400.000 Menschen die Hofreitschule und ihre Gestüte mit ihren mehreren hundert Lipizzanern. Das Unternehmen machte nach Zahlen von 2015 einen Umsatz von rund elf Millionen Euro. Seit 2015 gehört die Hofreitschule zum immateriellen Kulturerbe der Unesco. „Die Aufnahme ist eine wichtige Würdigung und Anerkennung unserer kulturellen Vielfalt“, kommentierte 2015 der damalige Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ).
Aber auch abseits der weltberühmten Lipizzanerr hat Österreich eine große Geschichte in der Pferdezucht. So ist das Land mit einem Bestand von 4000 eingetragenen Stuten und 100 Hengsten das Zentrum der weltweiten Haflingerzucht. Die als Allround-, Mehrzweck- und Kinderpferd geschätzten Haflinger waren ursprünglich in den Sarntaler Alpen im heutigen Südtirol beheimatet. Für den Noriker – ein mittelschweres, breites Gebirgskaltblutpferd mit großer Farbenvielfalt – ist Österreich mit 4700 eingetragenen Zuchtstuten und 200 Hengsten das größte geschlossene Zuchtgebiet. Österreichische Warmblutpferde – deren Vorfahren in der Doppelmonarchie als die weltbesten Militärpferde galten – sind heute im internationalen Reitsport sehr erfolgreich. Die Zuchtpopulation von Shagya-Arabern – das Offizierspferd der K.u.K-Monarchie schlechthin – umfasst in Österreich aktuell 220 Stuten und 50 Hengste.
Fachhandel - wie in Deutschland, nur viel kleiner
Derweil gibt es nach Insider-Schätzungen aktuell insgesamt etwa rund 100 Pferdesportfachhandelsgeschäfte im Land. Darunter viele kleine Einzelunternehmer und einige Traditionsbetriebe (wie zum Beispiel Reitport Zwerlin, den Reiterstadl oder das Fachgeschäft Johann Trieb), die sich mitunter seit Jahr(zehnt)en halten. Insgesamt ist der österreichische Fachhandel dem deutschen sehr ähnlich. „Nur viel kleiner!“, sagt Geschäftsführer Markus Zwerlin. „Da wir eng über die Euroriding zusammenarbeiten, haben wir den direkten Vergleich. Alles ist gleich – Kundenwünsche, Warenangebot, und auch die Dienstleistungen sind nahezu identisch.“
Einen Unterschied zum deutschen Markt hat hingegen Frank Schmeckenbecher ausgemacht. „Der österreichische Markt ist weniger vom Turniersport geleitet als der deutsche“, sagt der Krämer-Geschäftsführer, der mit seinen vier Mega-Stores in Linz, Wien, Eibesbrunn und Graz der zweitgrößte Filialist im Land ist. Das Geschäft in Wien war bei seiner Eröffnung 2007 sogar der erste Mega Store von Krämer außerhalb Deutschlands. „Damals, im Jahr 2007, gab es eine Vielzahl kleiner und kleinster Reitsportgeschäfte in Wien, aber keinen klaren Marktführer. Das hat uns die Sache erleichtert“, erklärt Krämer-Geschäftsführer Frank Schmeckenbecher.
Auch Equiva mit Standorten in Innsbruck, Wels, St. Pölten, Wien, Theresienfeld und Klagenfurt sowie Loesdau (in Traiskirchen bei Wien) betreiben in Österreich große Pferdesporthäuser. Das nach eigenen Angaben größte Reitsport-Fachgeschäft Europas mit einer Gesamtfläche von 5000 Quadratmetern und einer Geschäftsfläche von 2800 Quadratmetern gehört aber nicht zu einem der Großen aus Deutschland. Es ist vielmehr Reitsport Zwerlin in Graz.
„2008 haben wir die Behauptung, Europas größtes Reitsport-Fachgeschäft zu sein, erstmals in den Raum gestellt“, berichtet Markus Zwerlin. „2012 haben wir die reine Verkaufsfläche auf 1800 Quadratmeter erweitert.“ Bisher habe sich noch kein Konkurrent gemeldet, dass er größer sei, führt der Geschäftsführer des Rekord-Ladens aus: „Da ich bei jeder Gelegenheit meine Kollegen gerne besuche, kann ich sagen, dass ich noch kein größeres Geschäft gefunden habe. Auch die diversen Hersteller haben mir das so bestätigt.“